Mitteldistanz in Maxdorf
Sonntag Morgen, ich steh auf, der große Tag ist da! Halt, nein, ein paar Stunden zurück. Ich liege im Bett, ich habe rasende Kopfschmerzen und kann nicht schlafen. Was ist das denn jetzt? Das kann ich ja gar nicht gebrauchen… Um kurz nach vier kapituliere ich und nehme eine Kopfschmerztablette, denn ein bisschen Schlaf brauche ich noch. Eigentlich mag ich das gar nicht, Schmerztabletten vor dem Wettkampf, aber hier geht es einfach nicht anders. Als der Wecker dann um 05h45 klingelt, schlafe ich tief und fest und fühle mich entsprechend gerädert. Das geht ja gut los.
In 45 Minuten kommt Tobias. Was muss ich alles tun? Frühstücken, Beine rasieren, ganz wichtig: Sonnencreme, Kaffee machen. Das Rad ist zum Glück schon im Auto und die Beutel sind gepackt. Dann steht Tobi vor der Tür. Ich bin noch nicht bereit, er ist aber auch zu früh. Hier der Autoschlüssel, verlade doch bitte dein Rad. Ich brauch noch fünf Minuten.
Die Kaffeetasse kommt mit zum Auto und ich werfe sie erstmal im Auto um. Na großartig. Schnell das gröbste noch beseitigen, war zum Glück hauptsächlich auf Plastik und nicht auf Polster. Dann geht’s los. Die Fahrt verläuft glatt, wir finden den Parkplatz gut, der Kopf pocht trotz Tablette. Wir treffen noch Marcel, auch ein ALVler, der aber in den falschen Farben unterwegs ist. Dann eine Viertelstunde zum See radeln, wieso ist das hier so windig?, und schnell die Startunterlagen holen. Es ist doch schon gleich acht und um viertel nach schließt die Ausgabe. Danach ist alles entspannter, der Check-in bei TCEC Kollege Falk geht schnell und es bleibt noch Zeit zum Fachsimpeln mit Undercover-ALV-ler Ralf oder der Unterstützung des späteren Rheinland-Pfalz-Meisters Tom Holzmann bei der Organisation einer Batterie für seinen Wattmesser.
Um 9h dann der Start. Ich stelle fest, dass bei meiner nagelneuen Schwimmbrille, die ich einmal Probe getragen hatte, innen die Beschichtung abgeht. Sie ist zugegeben schon ein paar Jahre alt, ein Modell, das es nicht mehr gibt, das ich auf Vorrat gekauft hatte. Einschwimmen gegen die Sonne ergibt: ich sehe so gut wie nichts. Egal, einfach den Füßen vor mir hinterher. Ich schwimme ja doch etwas besser als noch vor ein paar Jahren, also rein ins Getümmel. Das finde ich so lange gut, bis ich einen Tritt ins Gesicht abbekomme. Es ist schon bemerkenswert, wie rücksichtslos einige Leute schwimmen. Jetzt hab ich noch Wasser im linken Brillenglas, egal, weiter und ein bisschen mehr raushalten. Nach sehr zufriedenstellenden neununddreißig Minuten hab ich wieder festen Boden unter den Füßen und feuere noch Jochen an, der sich eine gute Minute vor mir auf die Strecke begibt.
Auf dem Rad: Gegen- und Seitenwind und meine Nummer flattert über Gebühr. Nach einigen Kilometern bin ich so genervt, dass ich mich aufrichte und schaue. Die eine Befestigung hatte sich gelöst, ich mache das Ding wieder fest und weiter geht’s. Leider ab in die Weinberge. Die folgenden Kilometer sind aus meiner Sicht eine Katastrophe für einen doch nicht ganz kostenfreien Triathlon. Lauter mit Baustellenspray markierte Löcher und Wellen in der Strecke, Platten, Steine, Dreck. Ich bin froh, als wir wieder eine Straße erreichen und es endlich die Lindemannsruhe hoch geht. Die Radstrecke hält gefühlt die meiste Zeit Gegenwind bereit, dazu zwei Mal der Anstieg hoch auf über 400m hoch, zudem ist es warm, aber ich kämpfe mich in gut drei Stunden durch. Da war ich auch schon mal schneller 2015, der erhoffte 30er Schnitt ist es nicht geworden.
Der Wechsel aufs Laufen klappt gut, die Organisation ist top. Ich starte auf die Runde kurz vor Jochen, der schon gut sechs Kilometer weiter ist. Es sind drei Runden à 6,6km zu absolvieren. Geplant war ein Schnitt knapp unter fünf, aber ich hatte nicht mit dieser drückenden Hitze gerechnet. Die erste Runde konnte ich die Pace noch halten, dann wurde es spürbar langsamer. Kühlen und trinken war hier wichtig. Was mich erstaunt, weder Jochen noch Ralf überholen mich, der Abstand bleibt etwa gleich. In Runde zwei ist dann auch André zu sehen, der sich beim Joggen und Gehen abwechselt, aber sehr souverän die Strecke angeht. Aber wo ist Tobias? Jedes rote Oberteil wird von der Ferne gescannt. Nein, ist er auch nicht. So langsam mache ich mir Sorgen.
In Runde drei hole ich André ein. Er ist relativ gut gelaunt und auch nicht völlig k.o., im Gegenteil: er quatscht mich zu. Ich mache nur Daumen hoch, traue mich nicht zu sprechen, denn ich erinnere mich noch gut an den Swim & Run im Mai, wo ich was zu Rainer sagte und fast einen Asthmaanfall bekam. Die Lunge ist grenzwertig, ich antworte nicht. André fragt auch, wo Tobias sei, er weiß auch nichts.
Endlich dann das Ziel. Ich versuche noch auf den letzten Kilometern eine vor mir liegende Frau einzuholen. Als circa einen Kilometer vor dem Ziel eine Blase am linken Fuß schmerzhaft aufplatzt, laufe ich noch unrunder und lasse es sein. Es geht ja um nichts mehr. Ich laufe nach 5h34 ein, etwa zehn Minuten langsamer als geplant, aber das ist nun auch egal. Tobias wartet auf mich und holt mir erstmal Wasser. Ich muss mich setzen, ich habe Krämpfe in den Oberschenkeln. Anschließend robbe ich in den Schatten. Tobias erzählt, er habe Rücken- und Hüftschmerzen auf dem Rad gehabt und schweren Herzens nach der ersten Radrunde aufgegeben. Das Schwimmen lief aber richtig gut beim ihn und er schmiedet schon Pläne für die nächste Mitteldistanz.
Jochen ist auch im Ziel und recht zufrieden, er war eine gute halbe Stunde vor mir und hatte auch stark mit der Hitze beim Laufen zu kämpfen. Gemeinsam warten wir auf André, der sein Debut auf der Mitteldistanz mit Bravour ins Ziel bringt, auch etwas langsamer, als er erträumt hatte, aber ein Finish ist ein Finish.
Leider muss Tobias mit mir noch auf die Siegerehrung warten, die zum Glück aber recht zügig absolviert wird. Ich Depp vergesse dann mein gewonnenes Handtuch, mein eh schon angeschlagener Kopf ist doch recht weichgekocht. Einziger Benefit beim Wettkampf mit Kopfschmerzen: es tut so viel weh, den Kopf merkt man gar nicht mehr so prägnant. Ich freue mich auf zu Hause, auf etwas zu Essen und eine kühle Dusche. Ich hatte vergessen, wie hart das ist. Vier Jahre ohne Mitteldistanz sind doch eine lange Zeit.
Am nächsten Tag frage ich in Maxdorf nach: man will mir das Handtuch zuschicken. Was ein Service!